Im Zuhause meiner Oma gibt es eine alte Holztruhe, ein Baoulo wie es in unserer Sprache heißt. In dieser Holztruhe liegen sorgsam zusammengefaltet Tischdecken, Tücher, besondere Stoffe. Meine Oma hat liebevoll und sorgsam zwischen die einzelnen Lagen wohlriechende Seifenstücke verstaut, die den Inhalt der Truhe vor Ungeziefer schützen. Zu jedem einzelnen dieser Stücke, weiß sie eine Geschichte aus ihrem Leben zu erzählen. Auf dem Baoulo liegt zum Schutz der Truhe ein schöner Baumwollstoff und direkt darauf ein großer, schwerer Flokatiteppich. Und auf dem Teppich bewahrt meine Oma Wolldecken, die sie seit ihrer Jugend hegt und pflegt, aus echter Wolle auf. Der Flokati-Wolldecken-Berg wird durch einen schönen Überwurf vor Staub geschützt und selbstverständlich, liegen auch hier, wohl platziert mehrere wohlriechende Seifenstücke.
Möchte meine Oma etwas aus dem Baoulo herausholen, kann sie das nur beschwerlich alleine tun, denn wie Sie sich vielleicht vorstellen können sind mehrere Schichten von Wolldecken und Flokatiteppichen ziemlich schwer. Nicht, dass das meine Oma davon abhalten würde es trotzdem zu versuchen, aber das ist eine andere Geschichte.
Manchmal bittet sie mich um Hilfe. Wir heben dann mit vereinten Kräften, Teppiche und Wolldecken an die Seite und öffnen den massiven Deckel der Holztruhe. Meine Oma erzählt mir die jeweilige Geschichte zum Inhalt der Truhe. Meine Oma pflegt jede noch so kleine Ecke in ihrem zuhause regelmäßig. Sie hat ihre Rituale und festgelegte Rhythmen. Meiner Meinung nach, macht das sehr viel Sinn.
Nun, stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Ihr Körper und Ihre Psyche sind Ihr zuhause. Und ganz tief im Innern befindet sich auch bei Ihnen eine Schatztruhe. Wann haben Sie das letzte mal in Ihre innere Holztruhe geschaut?
Vielleicht sind auch auf Ihrer Truhe, mehrere Schichten schwerer Wolldecken aufgeschichtet und die Truhe lässt sich alleine kaum noch öffnen. Ihr persönliches inneres Baoulo, nennen wir es die Emotions-Truhe. Vielleicht haben auch Sie, wie übrigens viele Menschen, irgendwann in ihrem Leben, ihre Gefühle der Traurigkeit, der Scham, der Einsamkeit in ihre Emotions-Truhe getan. Sicherlich hatten Sie damals dafür gute und wichtige Gründe.
Vielleicht war es wichtig die Emotionen erst einmal in der Truhe zu „parken“, um genügend Energie zu haben, um weitermachen zu können. Dabei war keine Zeit alles sorgsam zu falten und mit wohlriechenden Seifenstücken zu verstauen. Es musste schnell gehen, vielleicht sogar so schnell, dass es automatisch geschah, ohne dass Sie dem ganzen besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben, denn der Alltag wartete, nahestehende Menschen brauchten Sie oder es gab andere gute Gründe.
Die Gründe sind immer gute Gründe, bitte haben Sie diesbezüglich absolutes Vertrauen in sich selbst! Ihr inneres System sorgt dafür, dass Sie uns erhalten bleiben und ergreift entsprechende, schnelle Maßnahmen, wenn notwendig. Doch Maßnahmen, die schnell erfolgen bringen langfristig gesehen nicht oft den größten Nutzen.
Die Verschiedenen Gefühle und die damit verbunden Erinnerungen wurden also in die Truhe gepackt. Irgendwann war die Emotionstruhe voll, drohte überzuquellen und ihr Inneres ungewollt zu offenbaren. Doch statt die Truhe zu öffnen und Ordnung zu schaffen, packten Sie weitere, jetzt größere Pakete obendrauf. Heute ist das Öffnen der Truhe alleine nur schwer möglich. Und wer weiß in welchem Zustand sich all die Dinge im Inneren befinden.
Wer möchte sich schon diesem unangenehmen Gefühl aussetzen?
Die Emotionen sind also alle in der Truhe und der Mensch fragt sich: „Weshalb kann ich mich nicht mehr freuen?“
Da Emotionen zusammengehören und sich je nachdem, welche Botschaft sie uns mitteilen möchten einfach untereinander abwechseln, fühlen Sie, wenn die Emotionen in der Truhe tief verstaut wurden weniger differenziert. Ist z.B. Die Wut in der Truhe aktiv, muss sie ganz schön laut werden, bevor ein dumpfes Geräusch von außen gehört werden kann. Der Mensch spürt Unruhe, kann aber oft nicht genau sagen, was da genau los ist im Baoulo. Welche Emotion möchte gerade was sagen?
Eine Ausnahme gibt es: die Angst.
Die Angst, ist überlebenswichtig. Sie warnt uns vor Gefahr und lässt sich nicht so einfach in die Truhe stecken. Stellen Sie sich einen Menschen ganz ohne Angst vor. Lange würde er nicht überleben. Deshalb danken Sie ihrer Angst, dass Sie sich von ihnen nicht so einfach mit dem Rest wegsperren lässt. Sie hat nur ihr Bestes im Sinn und möchte Sie beschützen.
Sicher, ja, sie übertreibt manchmal maßlos. Doch was soll sie auch machen? Sie haben ihr die ganze Unterstützung, das ganze Emotionsteam weggesperrt und jetzt muss sie sich ganz alleine um all die Aufgaben kümmern, für die die Natur so viele verschiedene Emotionen vorgesehen hat! Wenn Sie mich fragen ist es Zeit, jede einzelne Emotion, wieder aus der Kiste zu entlassen und wieder im Alltag ihre „Arbeit machen zu lassen“.
Gerne unterstütze ich sie dabei!
Lassen Sie sich dabei unterstützen, die schweren Decken und Flokatis behutsam an die Seite zu legen. Öffnen Sie in ihre Emotionskiste. Welche Erinnerung werden Sie behalten und welche an einen anderen Ort aussortieren?
Nehmen Sie sich die Zeit das Wichtige sorgsam gefaltet und geschützt durch wohlriechende Seifen wieder in die Truhe zu legen.
Mancher Schmerz und manche Erinnerung begleitet uns ganz nah am Herzen bittersüß durchs Leben. Kümmern Sie sich regelmäßig um Ihre Emotionstruhe. Denn wie meine Oma immer sagt: „ein Haus um das man sich nicht kümmert zerfällt, geht kaputt.“
Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Zukunft alleine und ohne Mühe, den Deckel jederzeit öffnen können und begleitet von angenehmen Düften Ihre Erinnerungen betrachten, die schönen und die nicht so schönen, denn sie alle haben Ihnen Erfahrung geschenkt.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Gefühle fühlen, die angenehmen und die unangenehmen, denn sie sind alle gleich wichtig.
Für eine Weile, bis Sie entscheiden die Truhe wieder zu schließen. Bis zum nächsten mal.
Falls ihre Emotions-Truhe sich jetzt gerade alleine nicht öffnen lässt, holen Sie sich Unterstützung. Auch meine Oma ist es gewöhnt, alles alleine zu machen. Zu ihr sage ich oft: „Ich weiß Du kannst es alleine, aber gemeinsam geht es viel schneller.“ Denn wissen Sie, hat man 2 Menschen die sich Austauschen, dann hat man am Ende nicht nur doppelt so viele Ideen, sondern zusätzlich unzählig viele neue Möglichkeiten die durch die verschiedenen Kombinationen der Ideen entstehen.
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